Kokain

Kokain gilt als die aufputschende Droge schlechthin. Das Schnupfen einer weißen Linie »Koks« wird weniger mit der Junkie-Szene verbunden als etwa das Spritzen von Heroin, obwohl Kokain im Bei und Mischkonsum dort keine Seltenheit ist und Crack oft in großstädtischen Elendsquartieren geraucht wird. Kokainkonsum ruft vielmehr Bilder von schicken Models und Managern hervor, die mit Hilfe der Lifestyledroge den zusätzlichen Party- oder Leistungs-»Kick« suchen. Doch wie wirkt Kokain genau? Macht es abhängig? Welche Folgeschäden können auftreten? Was kann die Prävention tun?

Kokain: heilige Pflanze, medizinisches »Wundermittel« und Modedroge

Kokain (Koka, Koks oder »Schnee«) gehört zu den Stimulanzien, also zu jener Gruppe von Drogen, denen aufputschende und leistungssteigernde Wirkung nachgesagt wird. Der Kokastrauch, die »heilige Pflanze« der Inka, dessen Blätter gekaut oder als Teeaufguss noch heute von den Anden-Indios zur Unterdrückung des Hungergefühls sowie zur Steigerung der Ausdauer und der Arbeitskraft benutzt werden, gelangte im 18. Jahrhundert nach Europa. Erst 1855 wurde das Hauptalkaloid chemisch isoliert und wenig später von der Pharmaindustrie als »medizinisches Wundermittel« (u.a. zur Lokalanästhesie) lanciert. Gleichzeitig begann der Aufstieg zur Modedroge (Koka-Wein oder gemischt mit Koffein und Colanuss als »CocaCola«). Später verlor die Limonade ihren Kokagehalt und das Kokain in der westlichen Welt seinen Medizinalstatus, blieb aber als Modedroge für Minderheiten (Künstlerkreise) aktuell. In den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts fanden das Kokain und seine Derivate (Freebase, Crack) auch einen festen Platz in der Drogenszene (u.a. als Mischdroge mit Heroin, »Speedball«, »Cocktail«). Seither war Kokain stets eine Droge mit zwei Gesichtern: Droge des Elends und Droge des Jetsets. Häufiger Beikonsum in der Gruppe der schwerstabhängigen Heroinkonsumierenden und Methadonempfänger/innen sowie Crackkonsum in städtischen Drogenszenen prägen das Bild des Elends, auf der anderen Seite steht Kokain als Lifestyledroge der Partyszene sowie als Aufputschmittel für Leistungsbesessene. 

Kokain untersteht in Österreich dem Suchtmittelgesetz, welches Herstellung, Handel, Verarbeitung und Besitz dieser Droge und aller Derivate gesetzlich verbietet.

Kokain in Österreich

Die Österreichische Repräsentativerhebung 2008 (Uhl u.a. 2009) kommt zum Schluss, dass von allen Befragten zwischen 15 und 99 Jahren 1,8 % zumindest einmal in ihrem Leben Kokain konsumiert haben und im letzten Jahr 0,7 %. Diese niedrigen Zahlen sind aus statistischen Gründen etwas mit Vorsicht zu genießen, sie zeigen aber, dass der Konsum von Kokain generell keine weite Verbreitung in der Bevölkerung hat. 

Die Altersgruppe mit den höchsten Werten für den zumindest einmaligen Konsum sind die 20- bis 24-Jährigen; hier liegt die Lebenszeitprävalenz bei 4,5 %. Beim Konsum im letzten Jahr haben die Gruppen 15 – 19 Jahre (2,1 %) und 20 – 24 Jahre (2,3 %) die höchsten Werten.

Aufgrund der vorliegenden Daten schätzen die AutorInnen des Berichts, dass 62 % derer, die jemals Kokain konsumiert haben, dies im letzten Jahr nicht getan haben (»Aufhöranteil«).

Der Anteil der Frauen an den »Kokainerfahrenen« liegt bei ca. einem Fünftel.

Bei den »suchtgiftbezogenen Todesfällen« gab es im Jahr 2010 29 (von insgesamt 170), in denen zusätzlich zu Opiaten auch Kokain vorgefunden wurde. (Bericht zur Drogensituation 2011) Im Jahr 2010 wurden in Österreich 241 kg Kokain im Schwarzmarktwert von ca. 29 Mio. EUR beschlagnahmt. Die Anzahl der Sicherstellungen ist im Vergleich zu 2009 um 3,86 % gesunken, der Schwarzmarktpreis für Kokain sinkt seit Anfang des Jahrtausends. 2010 gab es in Österreich 3.328 Anzeigen im Zusammenhang mit Kokain.

Der Stoff aus Kokablättern

Kokain wird aus den Blättern des Kokastrauchs gewonnen, der hauptsächlich in der Andenregion in Südamerika gedeiht. Getrocknete Kokablätter bestehen zu 0,2 bis 1,3 % ihres Gewichts aus  lkaloiden. Hauptwirkstoff ist das Esteralkaloid Kokain, das über einen chemischen Prozess aus der pflanzlichen Basis herausgelöst und in mehreren Schritten in Kokain-Hydrochlorid umgewandelt wird. Das so gewonnene »Rock-Kokain« (gelb-bräunlich, grobkörnig) kann zum bekannten »Schnee« (weiß, geruchlos, bitter schmeckend) weiter verarbeitet werden. »Schnee« weist als Kokain-Hydrochlorid einen Wirkstoffanteil von bis zu 95 % auf.

Auf dem Schwarzmarkt ist das Kokain-Hydrochlorid die übliche Handelsform des Kokains, zur Steigerung der Gewinnspanne vermischen es die Dealer allerdings mit diversen Streckmitteln. Oft beträgt der Anteil des Wirkstoffes Kokain im so genannten »Straßenkokain« deshalb bloß noch etwa 20 %.

Psychische und körperliche Risiken

Ein dauerhafter und intensiver Kokainkonsum kann zu psychischen Veränderungen führen und insbesondere Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Gewalttätigkeit und Aggressivität sowie unbegründete Ängste und Verwirrtheit hervorrufen. Wenn die Wirkung von Kokain nachlässt kommt es zu einem gefühlsmäßigen Tief (»Crash«): Schlaflosigkeit, Verlust des Interesses an Nahrung und Sexualität sowie Depressionen und suizidale Tendenzen sind häufige Symptome.

Bei chronischem Hochkonsum besteht die Gefahr von Kokainpsychosen, bei denen sich Halluzinationen und Wahnzustände entwickeln. Auch die körperlichen Folgeschäden des Kokainmissbrauchs können mittel- oder längerfristig lebensgefährlich sein. So wird der Körper mit der Zeit weniger belastbar und weniger widerstandsfähig gegen Infektionen. Es kann zu einem körperlichen Abbau, zu Gewichtsabnahme und Unterernährung kommen. Wenn durch den Kokainkonsum das Gehirn geschädigt wird, sind Intelligenzminderung, Konzentrationsprobleme oder Einschränkungen von Merk- und Lernfähigkeit möglich. Schädigungen der Augen, chronische Bronchitis und Leberschäden sind eben falls möglich. Es kann weiter zu Herz- Kreislauf-Schädigungen kommen; Schleimhäute können nach längerem Schnupfen von Kokain angegriffen, die Nasenzwischenwand durchlöchert werden. Wird Kokain geraucht, kommt es mit der Zeit zu einer Schädigung des Lungengewebes; wird es gegessen, kann das Darmgewebe in Mitleidenschaft gezogen werden.

Insbesondere beim Gebrauch von Spritzen besteht die Gefahr, dass Infektionskrankheiten übertragen wer den, wenn Injektionsutensilien gemeinsam benutzt werden. HIV, aber auch die verschiedenen Formen von Hepatitis können so übertragen wer den. Beim Schnupfen von Kokain stellen Blutspuren von verletzten Nasenschleimhäuten an gemeinsam benutzten Saugrohren (wie z.B. gerollten Banknoten) ebenfalls ein Infektionsrisiko dar.

Konsumformen, Dosierung und Wirkung

Kokain (genauer: Kokain-Hydrochlorid) kann geschnupft (»Sniffen«, »Koksen«), gespritzt oder auch gegessen werden. Nach bestimmten chemischen Veränderungen ist es auch rauchbar (als Crack oder Freebase).

Die Konsumform spielt eine Rolle dabei, wie schnell sich eine Abhängigkeit einstellt: Spritzen und Rauchen sind gefährlicher als Schnupfen, weil die Wirkung schneller und stärker eintritt. Das kann den Zwang, erneut zu konsumieren, verstärken.

Beim Schnupfen liegt die mittlere Dosis bei 20 bis 50 Milligramm, wobei Dauerkonsumierende Dosierungen von bis zu 100 Milligramm benötigen. Die Dosierungen beim Rauchen von Crack oder Freebase liegen bei 50 bis 250 Milligramm. Gespritzt wird Kokain durchschnittlich in einer Dosis von etwa 10 Milligramm. Beim Konsum über die Nasenschleimhaut (Schnupfen) tritt die Wirkung nach ca. 3 Minuten, beim Rauchen und Spritzen bereits nach wenigen Sekunden ein (»Kick«).

Die Dauer des Hochgefühls (»High«) variiert je nach Konsumart: Sekunden beim Crack, 3 bis 5 Minuten bei  gerauchter Freebase und bis zu 30 Minuten beim Sniffen. Besonders bei mittleren und kleineren Dosen hängt die psychische Wirkung des Kokains stark von individuellen Erwartungen, Stimmungen und Einflüssen aus der Umgebung ab. Grundsätzlich wirkt Kokain körperlich und psychisch stimulierend. Typisch für psychische Wirkungen sind: Antriebssteigerung, Auslösung euphorischer Gefühle, gesteigerte Kontaktfreudigkeit und Allmachtsphantasien. Kokain gilt auch als lust- und potenzsteigernd.

Auf physischer Ebene bewirkt Kokain die Erhöhung von Blutzuckerspiegel, Körpertemperatur, Herzfrequenz und Blutdruck – der Körper stellt sich auf Aktivität ein. Kokain dämpft zudem das Hunger- und Durstgefühl. Hohe Dosierungen rufen verstärkt Halluzinationen hervor, wobei auch vorübergehende Psychosen (»Intoxikations-Psychosen«) möglich sind, die mit paranoiden Erlebnissen (Verfolgungswahn) und Angstzuständen einhergehen können. In Reinform wird Kokain relativ rasch im Körper metabolisiert und je nach Einnahmeart innerhalb von ein bis drei Tagen über die Nieren ausgeschieden. Entsprechend lange lassen sich Kokainmetaboliten im Blut nachweisen.

Crack und Freebase:

Crack entsteht durch die Mischung und Erhitzung von Kristallen des Kokain-Hydrochlorids und Backpulver. Die so entstandenen weißen Kügelchen machen beim Verbrennen ein knackendes Geräusch – daher der Name Crack.

Freebase ist das Produkt einer chemischen Reaktion mit Ammoniak, bei der sich das Kokain-Hydrochlorid spaltet und eine rauchbare Substanz entsteht. Crack-Klumpen (»Rocks«) sind deutlich verunreinigter als Freebase. Sie werden auf Folien oder mit kleinen Pfeifen geraucht, wobei der Wirkstoff sehr rasch ins Blut gelangt.

Unmittelbare Lebensgefahr

Kokain kann für Erstkonsumierende wie für Dauergebrauchende lebensgefährlich sein:

Die Folgen einer Überdosierung, aber auch individuelle Unverträglichkeit können zum Tod durch  Kokainvergiftung führen. Über Leben und Tod entscheiden aber nicht nur die Dosis und die individuelle Verträglichkeit, sondern auch die allfällige Vermischung mit anderen Drogen und die Geschwindigkeit der Kokainaufnahme durch den Organismus. Spritzen und Rauchen sind unter diesem Gesichtspunkt besonders gefährlich, aber auch Schnupfen oder Schlucken von Kokain kann tödliche Folgen haben.

Die Angaben darüber, ab wann eine Einzeldosis hoch gefährlich ist, schwanken erheblich – unter anderem deshalb, weil das Risiko stark von individuellen Faktoren abhängt. Für eine Person, die nicht an Kokain gewöhnt ist, ist eine intravenöse Dosis von 30 Milligramm hochgradig gefährlich. Bei Resorption über die Nasenschleimhaut bzw. oraler Aufnahme dürfte die kritische Dosis bei 100 Milligramm liegen. Dosissteigerungen bei Kokain – etwa um trotz psychischer Gewöhnung die gleichen Effekte zu erzielen – sind sehr gefährlich: Die gefäßverengende Wirkung von Kokain kann zu Durchblutungsstörungen in Herz (Infarktrisiko) und Gehirn führen. Der Blutdruckanstieg kann tödliche Hirnschläge (Hirngefäßrupturen) auslösen, wobei Personen mit entsprechenden Prädispositionen gefährdeter sind, so z.B. Personen mit Herz-Kreislauf-Problemen, hohem Blutdruck oder Epilepsieerkrankungen. Schließlich kann Kokain auch durch die Lähmung des Atemzentrums den Tod bringen.

Kokainabhängigkeit

Die stimulierende Wirkung von Kokain setzt im Gehirn und im zentralen Nervensystem ein. Dabei greift die Droge in den Neurotransmitter-Stoffwechsel (Noradrenalin,Serotonin und Dopamin) ein. Die kurzfristige Erhöhung des Dopaminspiegels führt zu den beschriebenen Euphoriegefühlen.

Die stimulierende Wirkung von Kokain ist sehr heftig, gleichzeitig aber nur von kurzer Dauer. Wenn die euphorischen Gefühle abklingen, kann das Verlangen nach einer weiteren Dosis zwanghaft werden. Wird kein Kokain »nachgelegt«, kommt es häufig zu einer Pendelbewegung in die entgegengesetzte Richtung (»Coming-down«): Gereiztheit, Versagensgefühle sowie depressive Verstimmungen treten auf. Der wiederholte Gebrauch der Droge wird so schnell zu einem Reflex (Kokainhunger), der über kurz oder lang in eine starke psychische Abhängigkeit mit Craving-Symptomen mündet. Dass beim Schnupfen von Kokain kaum Symptome einer körperlichen Abhängigkeit auftreten, ist angesichts der ausgeprägten psychischen Abhängigkeit eher zweitrangig. Das Hauptproblem ist beim dauerhaften und intensiven Kokaingebrauch die Entstehung einer schweren psychischen Abhängigkeit. Das Rauchen und Spritzen von Kokain und besonders der Derivate Crack und Freebase führt darüber hinaus zu einer körperlichen Abhängigkeit. Beim Absetzen kann es hier zu Entzugssymptomen wie Schlaflosigkeit, Erbrechen und Durchfall kommen.

Kokain in der Schwangerschaft

Durch die Gefäßverengungen beim Kokainkonsum kann der Fötus eine Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährsubstanzen erleiden. Das Kokain gelangt über den Blutkreislauf der Mutter auch zum ungeborenen Kind, was zu schweren Missbildungen, geistiger Behinderung beim Neugeborenen sowie zu Frühgeburten, Blutungen oder Fehlgeburten bei der Mutter führen kann.

Einem nahestehenden Menschen helfen

Wenn man befürchtet oder weiß, dass eine nahe stehende Person Kokain konsumiert, sollte man sie darauf ansprechen. Bei solchen Gesprächen ist es empfehlenswert, sich darauf zu stützen, was man beobachtet und was einem Sorgen bereitet: »Mir fällt auf, dass du dich in der letzten Zeit verändert hast.« Oder: »Ich mache mir Sorgen, weil ich weiß, dass Kokain eine Droge ist, die schnell und stark abhängig macht.« Wie reagiert die betroffene Person? Kennt sie die Risiken, die mit Kokainkonsum verbunden sind? Welche Motive stehen hinter diesem Konsum? Auf keinen Fall sollte man sich dazu verleiten lassen, den Konsum in irgend einer Form zu unterstützen – auch nicht mit Geldzahlungen. Zögern Sie nicht, Hilfe von einer Beratungsstelle für Drogenprobleme bei zu ziehen: Anlaufstellen für Betroffene und auch für deren Angehörige sind die regionalen Drogenberatungsstellen.

Solche Anlaufstellen finden sie unter Standorte.

Prävention

Zeitgemäße Drogenpolitik basiert auf den vier Säulen Prävention, Repression, Therapie und Schadensminderung. Der Prävention kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie die Probleme an den Wurzeln anpackt. Sicher ist es unabdingbar, über die Risiken des Kokainkonsums zu informieren, darüber hinaus muss die Prävention aber auf der Verhaltensebene eine Wirkung erzielen. Das gelingt primär durch die Stärkung individueller Kompetenzen wie das Anerkennen eigener Grenzen, die angemessene Gestaltung von Leistungs- und Erholungsphasen sowie die Fähigkeit, mit Risiken umzugehen. Angesichts der unterschiedlichen Szenen, in denen Kokain konsumiert wird (Drogen-, Party-, Künstlerszene, Manager- und Prostituiertenmilieu), ist eine Prävention notwendig, die sich an den Lebenswelten der jeweiligen Zielgruppen orientiert.

Kokain ist eine stark Sucht erzeugende Substanz. Hält man sich die schweren potenziellen Schädigungen von Psyche und Körper vor Augen, kann die Prävention nur den Nichteinstieg in den Kokainkonsum bzw. den totalen Ausstieg anvisieren.

Teile des Inhalts mit freundlicher Genehmigung von Sucht Schweiz, Lausanne, CH und dem Institut für Suchtprävention

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