Nutzen und Schädlichkeit der Hanfpflanze werden kontrovers diskutiert. Ist Cannabis ein Abhängigkeit erzeugendes Rauschgift oder ein harmloses Genussmittel? Wie »normal« ist der Konsum von Cannabisprodukten in Österreich mittlerweile geworden? Welche körperlichen und psychischen Wirkungen und Risiken sind unmittelbar beim Gebrauch und bei chronischem Konsum zu erwarten? Was ist bei der Prävention und Schadensreduktion zu beachten, wenn man den Cannabisgebrauch weder dramatisieren noch bagatellisieren will?
Hanf – eine alte Kulturpflanze
Cannabis ist als Heil-, Kult- und Rauschmittel zum Beispiel in Vorderasien seit Tausenden von Jahren bekannt. Auch in Österreich haben der Anbau und die Verwendung von Hanfprodukten eine lange Tradition. Die Nutzpflanze Hanf (Cannabis Sativa) gab bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Faserrohstoff für Seile und Stoffe ab, aus den Hanfsamen wurde Hanföl gepresst, und auch um die psychoaktive Wirkung des Hanfes wusste man schon früh. In der Volksmedizin fanden Hanfextrakte therapeutische Verwendung.
Der Hanf verlor an Terrain, als die synthetischen Fasern aufkamen, ergiebigere Ölpflanzen angebaut und die Hausapotheken mit Produkten der modernen Pharmaindustrie chemisch aufgerüstet wurden. Nicht allein der psychoaktiven Wirkung wegen, sondern auch aufgrund der Konkurrenz der neuen Produkte wurde Cannabis weltweit zunehmend geächtet.
Cannabis – eine verbotene Droge
Im österreichischen Suchtmittelgesetz zählt Cannabis zusammen mit Stoffen vom Wirkungstyp Morphin, Kokain, Halluzinogenen und Amphetaminen zu den gesetzlich verbotenen Suchtstoffen. Der Anbau von Hanf zur Suchtmittelgewinnung sowie Besitz, Handel und Weitergabe von Cannabis sind strafbar. Eine erlaubte Menge »für den Eigenbedarf« gibt es – anders als oft vermutet – in Österreich nicht.
Dass das Verbot nicht nur auf dem Papier steht, sondern effektiv durchgesetzt wird, belegen die Tatsachen, dass 2010 in Österreich rund 1.300 kg Cannabisprodukte im Schwarzmarktwert von ca. 13 Mio. EUR beschlagnahmt wurden und ca. 17.000 Anzeigen in Zusammenhang mit Cannabis erfolgt sind (Suchtmittelbericht 2010).
Die Pflanze
Cannabis ist die botanische Bezeichnung der Hanfpflanze. In Europa ist Cannabis Sativa die dominierende Art. Für den Gebrauch als psychoaktive Droge werden benutzt:
Cannabis enthält rund 420 Inhaltsstoffe, darunter 60 Cannabinoide. Der wichtigste psychoaktive Stoff ist Delta-9-Tetra-hydrocannabinol (THC).
Die THC-Konzentration von Marihuana betrug früher je nach Sorte 0,5 bis 5 Prozent. Neue Pflanzensorten enthalten heute mehr THC. So wurde bei beschlagnahmten Marihuana-Sorten ein mittlerer THC-Gehalt von 20 bis 25 Prozent gemessen. Über die längerfristigen gesundheitlichen Auswirkungen der stärkeren Marihuana-Sorten gibt es kaum Forschungsarbeiten.
Haschisch und Marihuana sind heute in Europa die meistverbreiteten illegalen Drogen. Die Österreichische Repräsentativbefragung 2008 (Uhl u. a. 2009) ergab, dass in der gesamten Bevölkerung (14- bis 99-Jährige) 11,8 % zumindest einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert haben; die Altersgruppe mit dem höchsten Wert sind dabei die 20- bis 24-Jährigen mit 26,2 %. Bezogen auf das letzte Jahr sind die Konsumraten deutlich niedriger (alle: 2,7 %, 20- bis 24-Jährige: 11,7 %) und im letzten Monat haben 1,3 % Haschisch / Marihuana konsumiert (6,5 % bei den 20- bis 24-Jährigen). Der Anteil der »Cannabiserfahrenen«, die im letzten Monat nicht konsumiert haben, liegt bei 77 % (= Aufhöranteil, Ausstiegsrate). Über die letzten Jahre lässt sich beobachten, dass bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen tendenziell früher und regelmäßiger Cannabisprodukte konsumiert werden. Der Frauenanteil unter den »Cannabiserfahrenen« liegt bei 38,5 %, wobei bei jüngeren Altersgruppen der Frauenanteil höher ist als bei älteren.
Wird Cannabis gegessen, wird das THC zunächst im Magen und im oberen Darmbereich absorbiert, mit dem Blut in die Leber und von dort ins Gehirn transportiert. Beim Rauchen oder beim Inhalieren der Dämpfe gelangt das THC über die unzähligen Kapillaren der Lungenoberfläche ins Blut und unter Umgehung der Leber ins Gehirn.
Die Wirkung von gegessenem Cannabis unterscheidet sich deutlich von jener, die das Rauchen hervorruft. Die Wirkung tritt beim Rauchen spätestens nach 10 Minuten voll ein. Der maximale THC Spiegel im Blut ist bereits innerhalb von 15 bis 30 Minuten erreicht. Die psychoaktive Wirkung dauert 2 bis 4 Stunden. Beim Essen von Cannabis (z.B. in Form von Keksen) dauert es länger bis zum Wirkungseintritt.
Die Wirkung von Cannabis hängt ab von
Der Wirkungsort von THC ist vor allem das Gehirn. Im Jahre 1988 wurde die Existenz spezifischer Rezeptoren für Cannabinoide im Gehirn und Nervensystem nachgewiesen. Wenige Jahre später entdeckten amerikanische Forscher ein körpereigenes Cannabinoid (Anandamid), das auf diese Rezeptoren anspricht. Im Tierversuch lösen Anandamide das gesamte Wirkungsspektrum aus, das auch von THC bekannt ist: Anandamide beeinflussen Bewegungskoordination, Emotionen und Gedächtnisfunktionen, lassen Schmerzen vergessen, machen gesellig und friedfertig. Im Hirnstamm, der lebenswichtichtige Funktionen wie die Atmung steuert, finden sich kaum oder keine THC- / Anandamid Rezeptoren. Hieraus erklärt man sich, dass THC – im Unterschied etwa zu den Opiaten – keinen Einfluss auf lebenserhaltende Grundfunktionen hat.
Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Höhe der THC-Blutkonzentration und Stärke und Art der Rauschwirkung besteht nach Auffassung von Experten nicht. Es lässt sich darum für die Fahrtüchtigkeit unter Cannabiseinfluss nur schwerlich ein Grenzwert im Sinne einer Promillegrenze festlegen.
Die Nachweisbarkeit von Cannabis ist individuell recht unterschiedlich und hängt vom Konsum, vom Körperfett und vom Stoffwechsel ab. THC ist äußerst fettlöslich und lagert sich im Fettgewebe ab. Derart deponiertes THC wird nur langsam wieder freigegeben, so dass sich der THC-Blutspiegel nur allmählich senkt und der Wirkstoff im Blut lange messbar bleibt. Im Blut kann man aktives THC etwa 12 Stunden lang finden, danach können nur noch psychisch unwirksame Abbauprodukte nachgewiesen werden. Im Urin chronisch Cannabis Konsumierender kann man noch wochenlang THC nachweisen, auch wenn kein aktueller Konsum mehr stattgefunden hat. Gelegentlicher Cannabisgebrauch hinterlässt noch während einiger Tage Spuren im Urin. Im Speichel können Cannabisrückstände etwa 24 Stunden, im Haar noch viel länger nach dem letzten Konsum nachgewiesen werden.
Je nach Dosis (Menge des zugeführten THC), Konsumart, Cannabiserfahrung, Persönlichkeit, momentaner psychischer Verfassung und Konsumsituation können verschiedene Drogeneffekte sowohl neben- als auch nacheinander auftreten. Cannabiswirkungen können mehr oder weniger intensiv sein sowie als eher angenehm oder unangenehm erlebt werden. Cannabis hat auf die verschiedenen Menschen ganz verschiedene Wirkungen und löst teils völlig unterschiedliche Empfindungen aus.
Kurzfristige körperliche Wirkungen
Kurzfristige psychische Wirkungen
Zu den Risiken des Cannabisgebrauches existiert mittlerweile eine kaum noch überschaubare Literatur, die durch eine starke Polarisierung der wissenschaftlichen Auffassungen charakterisiert ist. So ist es nicht immer einfach, Hypothesen, Spekulationen und drogenpolitisch motivierte Über- bzw. Untertreibungen der Gefährlichkeit der Droge von den wissenschaftlich fundierten Aussagen über die Risiken des Cannabisgebrauchs zu unterscheiden. Die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums werden durch mehrere Faktoren beeinflusst. Drogenqualität, Dosierung, Häufigkeit und Gebrauchsdauer, Gesundheitszustand, Vorschädigungen, psychische Veranlagung und Konsumbedingungen.
Risiken für Körper und Psyche
Unfallgefahr
Der Verlauf des Cannabisrausches und seine spezifische Wirkungen sind nicht mit dem sicheren Führen eines Fahrzeuges, der Handhabung komplexer Maschinen oder mit anderen Aufgaben, die Aufmerksamkeit erfordern, zu vereinbaren.
Abhängigkeitsrisiko besteht
Wie bei zahlreichen anderen Drogen kann sich auch bei häufigem Cannabisgebrauch eine leichte körperliche Abhängigkeit entwickeln; auch von Toleranzphänomenen wird berichtet. Gravierender ist jedoch das Risiko einer psychischen Abhängigkeit. Insbesondere bei regelmäßigem Konsum und schlechter psychischer Befindlichkeit besteht die Gefahr, dass Cannabiskonsum zur problemorientierten »Selbstmedikation« und damit zum ständigen Begleiter, zur Fluchtmöglichkeit und zum scheinbaren Problemlöser wird.
Cannabis ist keine Einstiegsdroge, d.h. man muss nicht automatisch später zu härteren Drogen greifen, wenn man Cannabis konsumiert. Allerdings werden die Berührungsängste gegenüber dem Probieren von anderen Drogen geringer. Cannabis wird zudem häufig zusammen mit anderen Rauschmitteln konsumiert (Mischkonsum), wodurch sich das Risiko erhöht, körperlich oder psychisch Schaden zu nehmen.
Die Cannabisprävention muss über Konsumrisiken informieren und sich vor allem an Personen richten, die besonders gefährdet sind, d.h. denen dringend empfohlen werden muss, nicht zu konsumieren. Dazu zählen insbesondere:
Jugendliche:
Zugänge nach Alter und Konsumform differenzieren
Trotz gesetzlichem Verbot ist der Konsum von Cannabis eine Realität. Studien zeigen, dass ab ca. 15 Jahren einige Jugendliche anfangen, Cannabis auszuprobieren, manche konsumieren es auf Partys und einige beginnen, regelmäßig zu konsumieren. Angesichts der sehr verschiedenen Konsummuster ist es nicht einfach, eine für alle geltende Präventionsbotschaft zu geben. Grundsätzlich sollte man sich am Ziel orientieren, dass nicht konsumiert wird. Jugendlichen darf nicht der Eindruck vermittelt werden, dass Cannabiskonsum akzeptiert oder gar gutgeheißen wird. Bei Jugendlichen, die Cannabis ausprobiert haben, sollte man verhindern, dass sie zu einem »Freizeitkonsum« übergehen, d. h. man sollte darauf hinarbeiten, dass sie nicht weiter kiffen – auch nicht ab und zu.
Heranwachsende, die bereits gelegentlich konsumieren, sollten dazu motiviert werden, die Häufigkeit ihres Konsums zu reduzieren bzw. mit dem Konsum ganz aufzuhören, damit sie nicht in einen regelmäßigen oder gar täglichen (gewohnheitsmäßigen) Konsum abgleiten. Es geht also darum, individuelle Zugänge zu finden, die sich auf Dialog und Beratung stützen.
Jugendliche, die regelmäßig oder gar täglich Cannabis konsumieren, befinden sich in einer besonders risikoreichen Situation. Sie sollten dazu motiviert werden, den Konsum möglichst zu stoppen oder ihn mindestens deutlich zu reduzieren. Wer häufig konsumiert, riskiert abhängig zu werden und evtl. nicht mehr aus eigener Kraft aufhören zu können. In solchen Fällen ist es wichtig und hilfreich, sich an Ärzte/Ärztinnen oder Fachpersonen von Suchtberatungsstellen zu wenden.
Schadensverminderung bei Erwachsenen:
Eine wirklichkeitsnahe Politik zur Verhinderung von Drogenproblemen sollte pragmatisch sein:
Trotz des gesetzlichen Verbots und trotz aller Risiken, Gesundheitsschäden und Unfälle zu erleiden, gibt es Personen, die Cannabis konsumieren. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Prävention auch an Konsumierende richtet, damit diese in den Situationen, in denen sie konsumieren, so wenig Risiken wie möglich eingehen.
Teile des Inhalts mit freundlicher Genehmigung von Sucht Schweiz, Lausanne, CH und dem Institut für Suchtprävention
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